Bericht von der Mahnwache im Januar 2019

Mahnwache am 21. Januar 2019

Es ist kalt. Es ist dunkel. Und wir werden wahrscheinlich nur zu Dritt sein. Also keine hohe Motivation für die Stunde im Freien auf dem Luisenplatz. Aber ich habe die Transparente bei mir, also muß ich hin. Und das ist gut so.

„Ihr kommt mir vor, wie einsame Rufer in der Wüste“, bemitleidet uns vier Wachhebenden ein Passant. Einer der wenigen, die stehen bleiben. Ja, das sind wir hier auch, gebe ich positiv zurück, so mancher Einsame ist der Vorbote von Größerem gewesen.

„Aber wir können nicht alle Flüchtling der Welt aufnehmen.“ Nein, das können wir nicht. Dafür treten wir auch gar nicht ein. Wir fordern aber, daß diejenigen, die es zu uns geschaffte haben, menschenwürdig nach unseren sozial-politischen Standards behandelt werden.

„Aber zu viele sind ungebildet und werden von unserer Sozialhilfe abhängig.“ Ungebildete Verfolgte genießen nun mal auch Flüchtlingsschutz. Außerdem besetzen junge Geflüchtete bereits 10% der offenen Lehrstellen. Immer mehr kommen in Schule und Ausbildung und tragen letztlich die Sozialhilfe mit, die andere benötigen.

„Was wir brauchen, ist ein Einwanderungsgesetz.“ Richtig, was wir auch brauchen, ist eine Beseitigung der Fluchtgründe. Wenn so viel finanzielle Mittel in den zivilen Aufbau z.B. Afghanistans gesteckt würde, wie in die militärische Präsenz, dann wären wir schon ein gutes Stück weiter. Militär löst keine Konflikte, hält sie höchstens unter dem Deckel.

Viele Länder kaufen mit den Geldern Waffen, statt soziale Infrastruktur. Richtig, deshalb sollten wir den Waffenexport einstellen. Dann springen andere ein, China, USA usw. Auch richtig, aber wenn wir auf eine gemeinsame Abstimmung warten wollen, dann geht alles so weiter, einer muß mit dem Aufhören halt mal anfangen. Aber die Arbeitsplätze. Ja, rund 100.000 Arbeitsplätze sind in der Rüstungsindustrie in Deutschland vorhanden. Aber dann sind 100.000 Menschen arbeitslos. Nicht, wenn eine vernünftige Konversions-Strategie verfolgt würde. Viele Firmen könnten auf zivile Produkte umstellen und die Arbeitsplätze erhalten, usw.

Der Rentner, der so viel Zeit hat und viel liest und Bescheid weiß, wird in seinen Überzeugungen bescheidener. Wir einigen uns, daß er das Glas halbleer sieht und ich halbvoll.

Eine weitere Real-Stunde in Argumentation gegen Pauschalisierungen. Ich bin dem Passanten dankbar. Die Stunde, die mir so kalt vorkam, war letztlich freundlich, und vor allem: Sie war beendet, ohne daß mir langweilig und kalt wurde.

Nächste Mahnwache: 18. Februar 2019, 18-19 Uhr. Die März-Mahnwache wurde vom Asylkreis Kranichstein adoptiert. Weiteren Adoptionswillige für eine Mahnwache in diesem Jahr sind herzlich eingeladen.

Im März wollen wir mal wieder ein Training dazu anbieten. Am 16.3., Ort noch offen. Anmeldungen nehmen wir gern entgegen.

Johannes Borgetto