Flüchtlingskriminalität

Steigt mit mehr Flüchtlingen die Kriminalität?

Das fragen sich auch viele Roßdörferinnen und Roßdörfer spätestens nach den Übergriffen in der Kölner Silvester-nacht. Der Kriminologe Dr. Christian Walburg von der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster beschäftigt sich seit Jahren mit dem Zusammenhang von Migrati­on und Jugenddelinquenz. Von seinen Ergebnissen berichtet er im Gespräch mit dem Mediendienst Integration, die wir zusammenfassen:

Tatsächlich sind laut Polizei unter den Tatverdächtigen vor allem junge Männer aus Marokko oder Algerien, die sich aufgrund von Perspektivlosigkeit auf den Weg nach Europa gemacht hatten. Hier angekommen stellen sie nun fest, dass es in Deutschland für sie keine realistische Perspektive auf Anerkennung gibt und kaum Arbeitsmöglichkeiten. In der Folge rutscht offenbar ein beträchtlicher Teil in kriminelle Szenen ab, erklärt Dr. Walberg. In solch verfestigten Bandenstrukturen würden auch gesellschaftlicher Werte wie der Gleichwertigkeit von Mann und Frau oft nicht akzeptiert.

Generelle Einschätzungen zur „Flüchtlingskriminalität“ fänden sich in der allgemeinen Kriminalitätsstatistiken so­wie in einer internen Lageübersicht, die im Nov. 2015 vor­gestellt wurde. Bundesinnenminister de Maizière erklärte dazu: „Insgesamt zeigen uns die derzeit verfügbaren Tendenzaussagen, dass Flüchtlinge im Durchschnitt genauso wenig oder oft straffällig werden wie Vergleichsgruppen der hiesigen Bevölkerung. Der Großteil von ih­nen begeht keine Straftaten, sie suchen vielmehr in Deutschland Schutz und Frieden.“

Bei ihren Delikten machen Vermögens- und Fälschungsdelikte sowie Diebstahlsdelikte mit rund 67% den Hauptanteil aus. Der Anteil der Sexualstraftaten lag bei unter 1%. Noch geringer (0,1%) ist der Anteil der Straftaten gegen das Leben. Zuwanderer selbst seien vor allem durch Rohheitsdelikte und Diebstahlsdelikte bedroht. Die Zahl der Delikte, die in Erstaufnahmeeinrichtungen begangen wurden, ist stark angestiegen. Gründe hierfür werden in der starken Belegung der Einrichtungen gesehen. Oft sind die Flüchtlinge selbst die Kriminalitätsopfer.

Bei den Tatverdächtigen überrepräsentiert sind laut Innenminister Personen aus Serbien, Kosovo und Mazedonien, unterrepräsentiert sind Personen aus Syrien und Irak.

Dr. Walburg weist darauf hin, dass es ein weiteres Muster gibt: Ein hohes Risiko für Kriminalität haben vor allem Gruppen mit einer geringen Aussicht auf ein Bleiberecht. Flüchtlinge seien keine homogene Gruppe, betont er. Weniger entscheidend als die Herkunftsländer seien die sehr ungleichen Perspektiven in Deutschland. Eine Aussicht auf Bleiberecht, Zugang zu Sprachkursen und Arbeitsmöglichkeiten – das alles haben Marokkaner, Algerier oder Serben kaum.

Vielfach habe sich gezeigt: Wer Perspektiven für ein neues Leben im Aufnahmeland hat, der läuft weniger Gefahr, straffällig zu werden. Die erste Generation von erwachsenen Einwanderern war auch in früheren Einwanderungsphasen selten durch Straftaten aufgefallen. Die zweite und dritte Generation hingegen fallen in Westeuropa oft überproportional häufig als Tatverdächtige auf – eben wenn Integration nicht gut gelingt. Lange Phasen des Nichtstuns im Aufnahmeverfahren und ein unsicherer Aufenthaltsstatus sind ungünstig. Eine patriarchal geprägte Erziehung kann die Dinge erschweren. Schnelle Kontakte zur Aufnahmegesellschaft sind deshalb sehr wichtig. Die Kinder müssen schnell in die Schulen kommen und sich zugehörig fühlen können, betont der Münsteraner Kriminologe.

Das lässt sich auch bei den Nachkommen der „Gastarbeiter“ in den letzten 15 Jahren beobachten. Dort habe sich einiges zum Positiven verändert – mit deutlichen Folgen für ihre Kriminalitätsbelastung: Zwischen 2007 und 2014 ist zum Beispiel die von der Polizei registrierte Gewalt bei Jugendlichen mit türkischer Staatsangehörigkeit um rund 60 Prozent zurückgegangen. Und das sei kein Effekt, der sich primär durch die mit der Einbürgerung veränderte Erfassung in der Kriminalstatistik erklären lässt, erklärt Dr. Walberg.

(Quelle: Mediendienst Integration, 02-2016)

Bericht: Susanne Felger
Asylkreis Roßdorf-Gundernhausen