Trotz kurzem Anlauf kam eine arbeitsfähige Gruppe zusammen, um die eigenen Reaktionen auf populistische und menschenverachtende Parolen zu schärfen. Die Mehrheit der Teilnehmenden an einem Samstag im März 2019 ist in der Flüchtlingsarbeit aktiv und immer wieder mit abweisenden bis feindseligen Positionen bis in die eigene Familie konfrontiert. Die meisten sind unzufrieden mit der Art und Weise, wie sie in der Vergangenheit auf rechte Äußerungen im Bekanntenkreis und im Alltag reagiert haben. Umso wichtiger ist das Zusammenkommen mit Gleichgesinnten, das zur eigenen Selbstvergewisserung beiträgt. Dafür will der Koordinationskreis Asyl Darmstadt und Landkreis Sorge tragen, der den Workshop in Zusammenarbeit mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) e. V. ausgerichtet hat. Die VVN-BdA hat die Kampagne “Stammtischkämpfer“ ins Leben gerufen und stellt bundesweit Anleiter😊innen für die Trainings-Workshops zu Verfügung. Diesmal kamen sie aus Frankfurt und Worms.
Im Saal des Gemeindezentrums der Seeheim-Jugenheimer kath. Kirchengemeinde St. Bonifatius führten sie zunächst in die Geschichte der deutsch-nationalistischen germanisch-rassistischen Bewegungen seit Gründung des Deutschen Reiches 1871 ein. Damit wurde den Teilnehmenden deutlich, daß es sich bei zeitgenössischen Ideologen des „deutschen Blutes“ keineswegs um eine neuartige Erscheinung handelt, sondern um gesellschaftliche Strömungen, die seit langem existieren und ein klares Programm arisch-deutscher Vorherrschaft vertreten. Solchen Ideologen fallen viele Menschen zum Opfer, die sich in der Gesellschaft zurückgesetzt, zu kurz gekommen, übersehen fühlen.
Im anschließenden Workshop wurden folgende Fragen diskutiert:
In den folgenden praktischen Übungen wird deutlich, wie schwer es ist, auf Parolen eines allzu einfachen schwarz-weiß Weltbildes angemessen zu reagieren. Wenn Teilnehmende die Rolle eines Populisten einnahmen, wurde ihnen klar wie einfach sprachlich geklotzt werden kann, wenn nur Gefühlsduselei ohne realen Wahrheitsbezug zählt. Viel schwerer ist eine mühsame, faktengestützte Reaktion, geleitet von einer Ethik der Humanität.
Dennoch lohnt es sich nicht nur, sondern es ist auch zur Wahrung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung dringend notwendig, geschulter und entschlossener gegen solche Tendenzen Stellung zu beziehen. Viele der ideologisch verführten Mitmenschen können zurückgewonnen werden. Die wenigsten Besorgten und Ängstlichen sind gleich Nazis. Mit dieser Gleichsetzung wird zusammengezwungen, was nicht zusammen gehört. Wenn sie sich in ihren Sorgen, Bedenken und Ängsten auch von den Vertreter😊innen einer offenen Gesellschaft ernst genommen fühlen, kann daraus ein produktives Miteinander werden. Das entspricht auch der christlichen Grundhaltung, weshalb die Seeheim-Jugenheimer kath. Kirchengemeinde für den Workshop ihr Gemeindezentrum zu Verfügung gestellt hat.
Johannes Borgetto