Am 20.05.2017 fand in Kranichstein im Wohnprojekt WohnSinn ein sechsstündiger Workshop statt. Dieser Workshop möchte eine Gegenbewegung zur drohenden Rechtsentwicklung in der Gesellschaft darstellen und vermitteln. Dahinter steht das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus, das aus verschiedenen Verbänden und Parteien besteht.
Die Teilnehmer*Innen kamen alle aus Asylkreisen aus 8 verschiedenen Orten des Landkreises Darmstadt-Dieburg sowie aus Darmstadt selbst und waren zwischen 40 und 70 Jahre alt. Organisiert wurde das Seminar vom „Koordinationskreis Asyl Darmstadt und Landkreis“ (KOKAS), der Kontakt zu vielen lokalen Asylkreisen pflegt. Geleitet wurde der Workshop von zwei Mitgliedern der VVN-BdA.
Nachdem Johannes Borgetto vom KOKAS uns 13 Teilnehmerinnen und den einen Teilnehmer begrüßt hatte, sammelten wir unter der Anleitung der Teamer Mathias und Helene Ausdrücke, die Populismus beschreiben: Populismus ist verallgemeinernd, vereinfachend, abwertend, polarisierend, aggressiv, ausgrenzend und bietet einfache Lösungen. Das Gegenteil wäre demnach eine Verhaltensweise und eine Sprache, die differenziert, komplex, fundiert, neutral, wertschätzend, kompromissfähig, deeskalierend, friedvoll ist und eine Streitkultur einschließt. Damit sollte uns verdeutlicht werden, dass die Alternative zum Populismus der mühevollere, schwierigere und kompliziertere Weg ist. Das ist so wie es ist und das muss man wollen!
Wo verlaufen die Fronten? Die Fronten verlaufen nicht nur an den Stammtischen, sondern auch überall im öffentlichen Leben, wie z.B. in der Straßenbahn, aber ebenso auch auf unseren Familienfeiern und ehrlicherweise häufig sogar in unseren eigenen Köpfen und Herzen.
Danach sammelten wir in 3 Kleingruppen was uns hemmt, in Situationen mit rechtspopulistischen Äußerungen zu reagieren und was hilft.
Als Hemmnisse wurden Befürchtungen um die eigene Sicherheit, zu wenig Information und Hemmnisse, die in der eigenen Persönlichkeit begründet liegen genannt ebenso wie eine zu große persönliche Nähe zu derjenigen Person, die rechtspopulistische Äußerungen von sich gibt.
Als hilfreich hingegen wurde in erster Linie Übung genannt. Ebenso ist es hilfreich, wenn man weiß, dass man nicht alleine dasteht, um den Gegenpol zu bilden. Wie in jeder gelungenen Interaktion zwischen Menschen spielt aber auch ein guter Umgang mit den eigenen Gefühlen eine Rolle und dass man sich Zeit lässt, in aller Ruhe und Gelassenheit zu reagieren. Erfolgserlebnisse sind natürlich auch hilfreich sowie das Bewusstsein, im Recht zu sein (oder: auf der Seite der Menschlichkeit zu stehen?). Es ist dabei aber wichtig, sich dem anderen wirklich zuzuwenden. Als hilfreiche Methode wurde genannt, einfach Fragen zu stellen, statt auf Behauptungen mit Gegenbehauptungen zu reagieren.
In der praktischen Übung „Schrecksekunde“ konnten wir erproben, wie das ganz konkret aussieht, wenn wir versuchen, auf populistische Behauptungen zu reagieren, indem wir z.B. von unseren eigenen Gefühlen und Erfahrungen sprechen und damit versuchen, kalte und abwertende Äußerungen auf eine persönliche Ebene zu ziehen.
Es folgte die Präsentation „Werde Stammtischkämpfer*in“. In dieser Präsentation des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“ wird auf die unterschiedlichen Situationen eingegangen, in denen man sich bewusst macht, wer beteiligt ist und wie die eigene Rolle aussieht. Es wird auf verschiedene Personen eingegangen: wer redet warum und um wen geht es in meiner Gegenargumentation? Es ist immer sinnvoll, sich an die Zuhörer zu wenden – weil man da noch am ehesten etwas wenden kann – und sich nicht an den Verbohrten abzuarbeiten. Das heißt, man muss unterscheiden lernen, bei wem sich eine Reaktion lohnt und bei wem nicht. Kurz gesagt: Nimm dir die noch Unentschlossenen vor!
Wie gehe ich in einer Situation vor, in der es bereits Bedrohte gibt? Hier ist es wichtig Hier kann helfen, sich dem Opfer zuzuwenden, bei ihm zu stehen und mit ihm zu reden und nicht mit dem Aggressor.
Welche Möglichkeiten habe ich als „Stammtischkämpfer*in“? Möglichkeit 1 ist die Diskussion. Diese ist aber nur dann sinnvoll, wenn mein Gegenüber prinzipiell offen ist. Möglichkeit 2 ist das Positionieren statt Diskutieren. Möglichkeit 3 ist, die Diskussion zu beenden und den Grund dafür kurz zu benennen.
Als vorletzte Einheit des Workshops haben wir die Muster kennengelernt, aus denen rechtspopulistische Parolen bestehen. Folgende Muster wurden aufgezeigt:
- Der sogenannte „Flickenteppich“, bei dem in einem Satz sehr viele verschiedene Themen angeschnitten werden.
- Verallgemeinerung
- Behauptung: es wird so getan, als ob die Aussage sachlich sei und nicht ideologisch
- Gegeneinander Ausspielen: Solidarität mit benachteiligten Gruppen wird vorgespielt
Bei allen Mustern ist es zunächst wichtig, sie zu erkennen und in einem zweiten (schwierigen!) Schritt diese laut und deutlich zu benennen! (Der dritte Schritt besteht darin, mit einer Gegenfrage zu reagieren) Als nächstes könnte eine Gegenfrage angebracht sein und, viertens, die Äußerung einer eigenen Position.
Den Abschluss des Workshops machte wieder eine praktische Übung in Form eines Rollenspiels. Eine real erlebte Situation – hier das Aufregen über Burkinis in einem Strandbad – wurde dreimal mit unterschiedlichen Reaktionsmöglichkeiten durchgespielt. Dabei sollte gezielt eingeübt werden, sich an die Person zu wenden, die noch am zugänglichsten erscheint und dabei die Aggressorin bewusst links liegen zu lassen.
In der Schlussrunde mit Feed-Back haben wir uns über eine mögliche Vernetzung der Kursteilnehmer via E-Mail sowie über ein 2. Seminar für Fortgeschrittene ausgetauscht, das zu organisieren sich ebenfalls der Koordinationskreis Asyl Darmstadt und Landkreis angeboten hat.
Es wurde betont, wie wichtig das Einüben im Alltag mit vertrauten Personen ist!
Kirsten Schülke, Weiterstadt