82. Mahnwache am 6. Mai 2023

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Was sieht man auf dem Bild? Genau: Was man nicht sieht. Das Banner…
Foto: Johannes

Da fällt mir ein, ich habe doch gerade in Publik Forum eine ausführliche Kritik an der Ampel-Politik zu Lager und Abschottung gelesen. Und Elisabeth hat sich auch darüber ausgelassen, im Austausch zur Hessentag-Vorbereitung. Das ist jetzt meine Rettung. Dazu paßt jetzt kein Banner-Bild, sondern aus der Poster-Auswahl „Bekämpft die Fluchtursachen, nicht die Flüchtlinge“! Ok, das geht dann am Sonntag noch raus.

Aber Handzettel zum Verteilen haben wir ja auch noch keine. Monika meint zwar, es geht auch ohne, aber ich finde, wir sollten den Menschen eine Info anbieten, wenn auch vermutlich die Mehrzahl im Papierkorb landet. Ich kann jetzt so schnell auch keinen mehr kreieren, aber ich habe ja noch Alt-Bestände: 20 Stück, produziert vom AK Pfungstadt, 40 von der Flüchtlingshilfe der ev. Matthäus-Gemeinde. Alles aus früheren Jahren. Also: Die monatlichen Mahnwachen-Daten überkleben. Der Matthäus-Handzettel hat auch eine Rückseite, die hatten erst gar keine Mahnwachen-Zeiten in den Zettel gesetzt. Es geht um Abschiebe-Knast. Passt! Meine Reste sind z. T. nur Vorder-, z. T. nur Rückseiten, also jeweils die fehlende Seite draufkopieren. Pfungstadt hat auch nur Vorderseite, bekommt auf die Schnelle die Matthäus-Rückseite „aufgebrummt“. Gute 60 Handzettel, das sollte für eine Mahnwache reichen.

Ich packe die Kamera ein, will mal wieder mehr als Handy-Fotos machen. Aus der Garage noch „Sandwiches“ dazu und das Banner einladen, und los. Vor 18 Uhr noch zu REWE, einkaufen.

Dann fahre ich auf den Luisenplatz. Das nehme ich mir neuerdings raus, auch ohne entsprechende Genehmigung. Bisher ging das bei den Kontrollen gut, die Beamten hatten sich nur für die „Kundgebung-Erlaubnis“ interessiert.

Es ist 18 Uhr, niemand da. Ich lade nicht aus, kann das Auto also nicht hinter dem Banner „verstecken“. Ich sitze ganz nackt da, in meinem Autochen und halte Ausschau nach Mitstreiter innen. Ein Streifenwagen fährt ganz langsam vorbei.

Niemand kommt. Monika und Rudi hatten schon abgesagt. Habe ich mich mal wieder in der Zeit vertan? Bin ich eine Stunde zu früh? Zu spät? Nein, die Glocken der Stadtkirche verkünden, daß es 18 Uhr ist. Martina ruft jetzt an, auch, um abzusagen. Immerhin habe ich mir diesmal sogar einen Hocker mitgebracht, um meinem lädierten Rücken pausen gönnen zu können. Aber noch sitze ich ja noch bequemer im Auto und warte.

Ein Streifenwagen fährt periodisch über den Luisenplatz. Ich stehe an unserem üblichen Standort, direkt neben einem leeren Streifenwagen. Vielleicht schützt der mich. Ich halte jedesmal die Luft an, aber Frechheit scheint zu siegen. Sie drehen ganz langsam wieder ab, um in Richtung Kollegiengebäude zu patrouillieren. Im Ernstfall hätte ich einen dummen, alten, gebrechlichen Mann markiert, in der Hoffnung, so nur weggeschickt zu werden.

Erst bin ich ewig nicht durchgekommen, aber dann hat es doch geklappt: Ich konnte sogar noch Sonnenschein für unsere Zeit organisieren. Ich halte 15 Minuten aus, die sich angesichts der dauernd wieder auftauchenden Streifenwagen wie 50 Minuten dehnen. Dann breche ich ab, habe ich mich zu früh bewegt? Ein Streifenwagen fährt auf mich zu, ich fahre gaaanz langsam Richtung Kollegiengebäude, um Souveränität zu demonstrieren: Ich weiß, was ich tue, und ich bin hier richtig. Sie kommen mir nicht nach. Fahre auf die Zeughausstraße, drehe in den Tunnel und verschwinde.

Zum Glück hatte ich auch Einkaufen eingeplant, so war die Stadtfahrt nicht ganz umsonst. Und Handzettel haben wir jetzt auch noch für Juni. Und ich bin früher zu hause. Schade um den schönen Sonnenschein. Nächsten Monat regnet es garantiert.
Text: Johannes

Kontakt:
Monika Müller-Ahlheim, mail: monika_m-a@gmx.de
Johannes Borgetto, mail: info@asylkreis-darmstadt.de