Am 27.04.2017 fand ein Ausflug mit geflüchteten Frauen zur Mathildenhöhe Darmstadt statt. Die Koordination des Vorhabens im Vorfeld war schwierig: die Frauen in den – dezentralen – Wohnsituationen waren nicht immer erreichbar; über die verschiedenen Deutschkurse wurden sie zwar immer wieder auf den Ausflug hingewiesen, blieben aber, was eine verbindliche Anmeldung angeht, eher passiv. Es stellte sich heraus, dass ihr größtes Problem war, ihre Familien zu organisieren. Das Programm sah einen Ausflug ausschließlich für Frauen vor. Sie sollten sich für ein paar Stunden entspannt an einem der schönsten Plätze Darmstadts aufhalten können, etwas zur Lokalgeschichte erfahren und ihre Deutschkenntnisse in einem authentischen Kontext anwenden. Die Männer oder Nachbarinnen sollten sich für diesen Nachmittag um die Kleinkinder kümmern – was nicht immer auf spontanes Verständnis stieß…
(Dass dieses Konzept richtig ist, zeigte sich beim Besuch des Museums Künstlerkolonie. Zwei der Frauen hatten entgegen der Absprache ihre 3jährigen Kinder mitgebracht, die teilweise unbändigbar waren und der Stadtführerin einiges an Diplomatie und Strenge abverlangten.)
Ich fuhr mit 2 Teilnehmerinnen mit Bahn und Bus von Eberstadt zur Mathildenhöhe, eine Gruppe von weiteren 6 Teilnehmerinnen stieß dort zu uns. Frau Carien Walter, selbstständige Stadtführerin, begleitete uns über die Mathildenhöhe, zu einzelnen Jugendstilgebäuden, ins Museum Künstlerkolonie, zur Russischen Kapelle, auf den Hochzeitsturm und schließlich ins Café im Platanenhain. Die Frauen nahmen die jeweiligen Informationen sehr interessiert auf; die Kommunikation war insofern gesichert, als wir mit Lina Barati, einer Afghanin mit sehr guten Deutschkenntnissen, eine perfekte Dolmetscherin hatten, die zudem als etwas ältere Frau die Gruppe der sehr jungen Teilnehmerinnen freundlich-bestimmt zusammenhielt. Geradezu innige Momente kamen in der Russischen Kapelle auf, als Frau Walter die Kerzensymbolik erklärte und einige Frauen Kerzen entzündeten und leise Gebete sprachen. Viel gelacht wurde dagegen bei den Darstellungen der nackten jungen Menschen, die im Jugendstilambiente so zahlreich präsentiert werden.
Beim abschließenden Kaffeetrinken wurde ersichtlich, dass sich alle afghanischen Frauen gut untereinander verstanden hatten, dass wir beiden deutschen Frauen problemlos in die Kommunikation einbezogen wurden, dass das Programm sich insgesamt als tragfähig erwiesen hat.
Erste Fragen, ob so etwas wiederholt werden könnte, tauchten auf. Frau Walter und ich haben auch schon Pläne für eine mögliche spätere Exkursion (zum Beispiel eine Führung zu ausgewählten Bildern im Hessischen Landesmuseum Darmstadt oder ein Gang über die Rosenhöhe zum Hofgut Oberfeld). Ein solches Folgeprojekt sollte wieder ausgewogene Anteile von Wissenselementen und emotional ansprechenden Aspekten beinhalten, eine Nachmittagsveranstaltung sein und tatsächlich NUR für Frauen konzipiert werden. Hier müsste im Vorfeld die Rahmenbedingungen noch deutlicher gemacht werden. Letztlich könnten solche Vorhaben damit zur Reflexion von Rollenverhalten – bei den Frauen wie den Männern – führen. Mit wachsender Sprachkompetenz werden sich die Frauen auch eingehender zu dieser Problematik äußern; in Ansätzen diskutierten sie bereits heute ihre Erfahrungen mit der Rollenverteilung in ihren Familien.
Abschließend möchte ich mich bedanken bei denen, die dieses Projekt so gut gelingen ließen: bei Carien Walter, die eine Führung der „anderen Art“ souverän gestaltete, bei dem MUT Projekt von DaMigra und auch bei der Stadt Darmstadt, die uns großzügig unterstützt haben, indem sie die Kosten für Führung, Eintrittskarten und Kaffee+Kuchen übernahmen, bei Lina Barati, die eine wunderbare Vermittlerin zwischen Herkunfts- und Zielsprache war.
27. April 2017
Annegret von Wietersheim
Mühltalstr. 143
64297 Darmstadt